«Hey, Mama» Gespräch mit Christiane Demgenski

Dürfen wir vorstellen?

Christiane Demgenski – ist Chief Product Officer bei Awina. Vor ihrem Wechsel in die Startup-Welt hat sie bei UBS in verschiedenen Rollen digitale Banking Produkte entwickelt. Sie ist frisch gebackene Mama und lebt zusammen mit ihrer Tochter und ihrem Mann in Zürich. Wir wollten von Christiane wissen, wie sie die letzten Monate seit der Geburt ihrer Tochter erlebt hat und inwiefern es ihre Einstellung zum Job beeinflusst hat.  

Christiane, du bist vor wenigen Monaten Mama geworden. Herzlichen Glückwunsch! Was hat sich in deinem Leben seit der Geburt deiner Tochter am meisten verändert? 

Mein Kalender war vor der Geburt immer voll. Zwischen Arbeiten, Konferenzen, Reisen, Kammermusik, Milizfeuerwehr, Freunde treffen, Sport und viel Lesen war mein Alltag immer sehr durchgetaktet und ich hab meine Unabhängigkeit sehr geschätzt. Seitdem ich Mutter bin, dreht sich praktisch alles darum, dieses klitzekleine Wesen am Leben zu erhalten und jede Sekunde mit ihr zu geniessen – jeden Tag lernt sie etwas Neues! Zum Lesen finde ich noch Zeit, aber der Rest ist wie weggefallen. Ich verstehe jetzt auch, wie schnell die eigene Identität in der Mutterolle untergehen kann. Es ist schon seltsam, dass ich nichts mehr spontan alleine unternehmen kann, sondern zuerst schauen muss dass jemand die Kleine hütet und genügend Milch für sie parat ist. Und trotzdem kann ich mir ein Leben ohne sie gar nicht mehr vorstellen.

Was hat dir keiner gesagt, bevor du Mama geworden bist? 

Erstens, dass die Schmerzen nicht mit der Geburt aufhören! Ich hatte eine lange Geburt, die letztendlich mit einem Notkaiserschnitt im Spital endete. Ich dachte damit sei das Schwerste überstanden, aber sich um einen Säugling zu kümmern und das Stillen erlernen, alles ohne Schlaf und nach einer OP – das war hart. Das bisschen Paracetamol das man nehmen darf ist ein Witz.

Zweitens, und das hat man mir schon gesagt aber ich hab es nicht geglaubt – wie viele Ausgaben auf dich zukommen! Die Betreuungskosten sind ja nur ein Teil. Wir haben zum Glück einen Grossteil der Baby-Kleidung sowie ein Dondolo und eine Babytrage von einer guten Freundin geliehen bekommen. Den Kinderwagen und den Rest der Ausstattung haben wir auf Ricardo und über Facebook-Gruppen gebraucht gekauft. Wir haben uns auch entschieden, vorerst in unserer kleinen, aber günstigen Wohnung zu bleiben – das Pinterest-taugliche Kinderzimmer kann immer noch später kommen. 

Welche 5 Ratschläge würdest du anderen berufstätigen Müttern vor der Geburt des ersten Kindes geben?

Plane den Ausstieg früh genug. Im letzten Schwangerschaftsmonat wurde ich von heute auf morgen krankgeschrieben, da war ich froh dass ich einen Grossteil meiner Verantwortlichkeiten mindestens schon mit jemandem besprochen, wenn nicht sogar übergeben hatte. Wer will schon im Wochenbett einen Anruf vom Büro kriegen, weil es irgendwo brennt und nur du weisst, wo der Feuerlöscher ist?

Nutze die letzten Wochen vor der Geburt um dich körperlich und mental auszuruhen. Ich musste mit schlechtem Gewissen kämpfen, Schwangerschaft ist schliesslich keine „Krankheit“. Aber jetzt bin ich froh um die paar Wochen, ich denen ich nur auf mich schauen durfte. Während der Schwangerschaft dreht sich alles um deine Bedürfnisse – der Wechsel nach der Geburt ist abrupt. 

Es braucht ein Dorf, man kann nicht alles alleine stemmen, egal wie unabhängig man zu sein glaubt. Vor allem wenn man, wie wir, nicht aus der Schweiz kommt und keine grosse Verwandtschaft in der Nähe hat. Die erste Zeit nach der Geburt ist besonders intensiv. Ohne die abwechselnde Hilfe meiner Mutter, meiner Schwiegermutter und meiner Schwestern, die für uns gekocht, mit dem Hund rausgegangen oder sich um das Baby gekümmert haben damit wir schlafen konnten, wären die ersten Wochen viel stressiger gewesen. Stattdessen konnten mein Mann und ich uns voll auf das Bonding konzentrieren. 

Plane den Wiedereinstieg im Voraus, unter anderem was deine zukünftige Kinderbetreuung betrifft. Der Mutterschaftsurlaub vergeht in null Komma nichts, da bist du froh wenn alles Administrative schon geklärt ist und du einen groben Plan hast, wie dein Leben danach ausschauen wird. Ich hab schon in der Schwangerschaft verschiedene Kitas besichtigt, mit den Kita-Leiterinnen gesprochen und musste nach der Geburt nur noch den Vertrag unterschrieben.

Das Leben hört nicht auf, es ist einfach anders! Eine meiner Sorgen war, dass ich mit meinem Baby zu Hause festsitzen würde. Tatsächlich waren wir mit unserem 6-Wochen alten Baby über Ostern in einem Rustico im Tessin, mit 10 Wochen für ein langes Wochenende in Lausanne, mit 13 Wochen sind wir zum ersten Mal geflogen und waren für eine Woche in Polen, und für den Sommer planen wir Frankreich und Israel. Klar, jetzt müssen wir überall einen Kinderwagen mitschleppen. Dafür stehen wir am Flughafen nicht mehr Schlange – auch nicht schlecht!

Wie sieht eure Teamarbeit aus: wer kümmert sich um was? Besteht Balance zwischen dir und deinem Mann? 

Mein Mann hatte 4 Wochen Vaterschaftsurlaub. In der Zeit hab ich fast keine einzige Windel gewechselt, er hopste stundenlang mit ihr auf dem Yogaball wenn sie Bauchschmerzen hatte, und morgens konnte ich ausschlafen. Aber die Zeit verging im Nu, und plötzlich war ich tagsüber praktisch alleine für sie verantwortlich. Mein Mann arbeitet zwar hauptsächlich im Home Office und hat gemacht was er konnte, er hat aber einen anspruchsvollen Job in einem Startup und arbeitet oft bis spätabends. Am Anfang hab ich mich vor allem vom Haushalt überfordert gefühlt. Da ich zuhause war, hatte ich das Gefühl ich sei jetzt auch für Hund, Wäsche, Putzen und jede administrative Aufgabe zuständig. Ich hatte nie Zeit für mich und musste loslassen lernen – wen kümmert’s, wenn die Wäsche eine Woche lang auf dem Wäscheständer hängt? Dazu kommt jetzt eine Babysitterin zwei bis drei Abende pro Woche, so kann ich mal aus dem Haus, auch wenn mein Mann noch Calls hat. Eine Putzhilfe haben wir auch einmal pro Woche. Jetzt wo ich wieder arbeite, sieht die Teamarbeit wieder etwas anders aus: So kümmert sich mein Mann für einen halben Tag pro Woche um die Kleine und ich gehe ins Büro. Wenn ich wieder 100% arbeite werden wir den Rhythmus erneut anpassen müssen, damit es für alle stimmt. Hier ist Kommunikation das Wichtigste.

Der Mutterschaftsurlaub ist bald vorbei: wie wirst du die Vereinbarkeit von Beruf und Familie leben wollen?

Ganz ehrlich? An meinem letzten Tag Mutterschaftsurlaub hab ich nur geweint. Und das obwohl ich zu einem tollen Team und einem tollen Job zurückkomme. Ich kann jede Mutter verstehen, die lieber bei ihrem Baby bleibt. Aber ich weiss auch, dass es langfristig für mich, meine Familie und meine Tochter besser ist, wenn ich finanziell unabhängig bleibe und an meinen eigenen Projekten arbeite. Für die ersten drei Monate steige ich erstmal mit 50% wieder ein und hauptsächlich remote, ab September bin ich wieder Vollzeit dabei und unsere Tochter geht in die Kita.

Wie sieht es mit dem schlechten Gewissen aus, hast du das auch schon erlebt, wenn du deine Tochter jemanden anderen zur Betreuung übergeben hast? 

Da ich meine Tochter voll stille war ich bisher höchstens drei bis vier Stunden ohne sie unterwegs und sie war immer bei einer Person meines Vertrauens. Da hatte ich keine Gewissensbisse, auch weil unsere Tochter sehr fröhlich ist und mit den Babysittern viel lacht. Es ist auch für sie wichtig, verschiedene Bezugspersonen zu haben. Ich bin gespannt wie es sein wird wenn sie den ganzen Tag in die Kita geht. Diese Emotionen kann man nicht immer kontrollieren, dessen bin ich mir jetzt schon bewusst. Die Kita-Leitung hat mich schon gewarnt dass es für die Eltern oft schwieriger ist als für die Kinder! Aber ich bin mit unserer Tochter schon bei unserer Kita vorbeigegangen und es hat mich sehr beruhigt zu sehen, wie herzlich die ErzieherInnen mit ihr dort umgehen.

Inwiefern hat deine Tochter deine Einstellung zum Job verändert? 

Sie hilft mir beim Priorisieren. Jede Minute, die ich anderswo verbringe, muss es Wert sein. Ich habe seit drei Monaten nie länger als vier Stunden am Stück geschlafen. Meine Toleranz für Ineffizienz liegt jetzt bei Null 😊. Ausserdem merke ich, wie sehr es das Angebot von Awina braucht. Ich dachte ich sei völlig vorbereitet auf die Zeit mit einem Baby – darüber kann ich jetzt nur lachen. Die Rush Hour of Life hat mich voll erwischt. Ich taste mich von Tag zu Tag blindlings voran und hoffe, dass nichts irgendwie untergeht.

Awina ist die Partnerin während der Rushhour of Life. Sie unterstützt junge Familien bei der Kita- Finanzierung und setzt sich für eine bessere Vereinbarkeit von Beruf & Familie ein. Wie aber sieht Vereinbarkeit eigentlich im Alltag aus? In der Serie «Hey, Mama», «Hey, Papa» sprechen berufstätige Eltern offen über ihre Erfahrungen und Herausforderungen als Working Parents und geben Einblick, wie sie persönlich Kind und Karriere unter einen Hut bringen.

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