«Hey, Papa» Gespräch mit Pascal Kaufmann

Dürfen wir vorstellen?
Pascal Kaufmann ist Neurowissenschaftler und ein bekannter Schweizer Tech-Unternehmer. Die gemeinnützige Mindfire Foundation gründete er im Jahre 2017 mit dem Ziel, künstliche Intelligenz zu entwickeln, um Menschen zu unterstützen.

Davor gründete er Starmind und arbeitete u.a. für das bekannte Forschungslabor für künstliche Intelligenz an der Universität von Zürich. Zudem forschte er in den USA an der Schnittstelle zwischen Maschine und Gehirn, um die Geheimnisse von neuronalen Netzwerken und Gehirnaktivität aufzudecken.

Pascal, du bist Papa letztes Jahr Papa geworden und ein sehr engagierter Unternehmer. Wie organisierst du dich, um alles unter einen Hut zu bringen?
Verglichen zu meinen Eltern wurde ich fast zwanzig Jahre später Papa. Mit zwanzig oder dreissig Jahren war ich noch ganz anders organisiert und es war wichtig für mich, flexibel zu sein und jederzeit mitanpacken zu können. Mit vierzig Jahren arbeite ich ganz anders: der Technologieeinsatz ist viel systematischer, ich habe gelernt, die richtigen Fragen zu stellen, zu delegieren und mich auf meine Stärken zu fokussieren. Dabei kann ich auf verschiedene Teams abstützen, die selbständig agieren und von einer klaren Vision geleitet werden. Schliesslich bleibt mir heute auch durch das Home Office gut Zeit, meine Rolle als Familienvater und Partner wahrzunehmen. Meine Partnerin ist dabei Familien-Innenministerin und ich kann mich absolut auf sie verlassen, während ich mich den Themen und Unternehmungen ausserhalb der Familie widme.

Du hast dich für Kind und Karriere entschieden – warum?
Ich sehe darin keinen Gegensatz, im Gegenteil. Es ist wie wenn man sagen würde, du hast dich für Karriere und Menschsein entschieden. Ein Kind zeigt mir vollends neue Perspektiven auf. Meine Partnerin und ich entdecken die Welt jeden Tag neu durch die Augen unseres kleinen Sohnes. Der Faktor Mensch ist bei allen Unternehmungen immer noch im Zentrum. Diesen besser zu verstehen, hilft mir oftmals auch bei schwierigen Entscheidungen im Beruf. Die Gründung einer eigenen Familie war für mich seit jeher klar, allerdings wäre dies zu Beginn meiner beruflichen Laufbahn zu früh gewesen.

Was sind für dich als «Working Dad» im Alltag die grössten Herausforderungen?
Die technischen Gerätschaften wie iPhone, Computer, Headsets usw. sind sehr erfolgreich darin, unsere Zeit und Aufmerksamkeit vollends zu vereinnahmen. Social Media ist so geartet, dass man schwierig davon wegkommt. Ein Kind verlangt ebenfalls nach Aufmerksamkeit, mal etwas weniger resolut, mal mehr. Die Trennung von Arbeits- und Familienzeit wird immer unschärfer. Ein Kind hat zurecht wenig Verständnis dafür, Aufmerksamkeit zu teilen. Auf der anderen Seite bin ich gerne in der Nähe meiner Familie, dies führt manchmal zu schwierigen Kompromissen und ich wünschte mir, ich hätte einen Roboter, der meine Arbeiten für mich vollends erledigen könnte.

Welche Momente im Leben deines Kindes möchtest du auf keinen Fall verpassen?
Unser Sohn ist erst einige Monate alt. Es gab bereits unzählige Momente, die ich offenbar verpasst hatte. Planbaren Ereignissen wie der erste Kindergartentag, erster Schultag, erster Soloflug, erste XYZ werde ich natürlich beiwohnen. Ich hoffe, dereinst viel mehr Zeit mit unserem Sohn verbringen zu können.

Was hat dir keiner gesagt bevor du Papa geworden bist? Was hat dich in deiner Rolle als Vater am meisten überrascht? 
Ich war gut dokumentiert und vorbereitet auf die Geburt unseres Sohnen und habe diversen KollegInnen vorgängig alle möglichen Fragen gestellt. Überraschend fand ich die Geräuschkulisse eines Babys auch im schlafenden Zustand. Diese entnahm ich keinem Lehrbuch. Ebenfalls ist das Gefühl vollends neuartig, ein so zartes Wesen in seiner Mitte zu wissen. Als ob sein eigenes Herz ausserhalb des eigenen Körpers quasi nackt und verletzlich neben sich schlagen würde.

Inwiefern ist Vereinbarkeit für dich – insbesondere in deiner Rolle als Leader und Initiant von diversen AI Projekten – bei der Arbeit ein Thema?
Ich glaube an Teamwork und an die Symbiose von Arbeitszeit und allem anderen. Gemäss Umfragen in Deutschland würden 60% die Familie und 40% den Beruf wählen, wenn sie wählen müssten. Ich sah dies nie als entweder oder an. Genauso wenig wie ich zwischen meinem Herz und meinem Hirn wählen muss, das gehört und arbeitet zusammen. Meine Familie gehört so zu mir wie meine Arbeit – zum Glück komme ich mit wenig Schlaf aus und glücklicherweise schreitet die Technologie auch im Bereich der KI voran, so dass lästige Arbeit immer weniger Zeit einnehmen wird.

Du bist was die AI Landschaft anbelangt vorne mit dabei. Wie unterstützt AI heute das Elternsein? Was muss in Zukunft noch kommen, um Väter wie dich zu supporten?
Ich kann den Durchbruch im Bereiche der menschenartigen KI kaum erwarten. Ich gehe davon aus, dass dereinst ein «Guarding Angel» meine Interessen vertreten und auch die wichtigsten Konversationen wird übernehmen können, so dass ich mich vollends auf Dinge fokussieren kann, welche ich nicht delegieren möchte – wie z.B. Zeit mit der Familie zu verbringen.
Bereits heute unterstützen mich Netzwerk Technologien, die es erlauben, dass Fragen automatisiert gelöst werden und das nur relevante Inhalte auf meinen Radar kommen. Durch neuartige Technologien spare ich mir die Zeit des Bücherlesens, da interessante Inhalte für mich automatisch aufbereitet werden. AI wird das Elternsein unterstützen, indem es andere Aktivitäten übernehmen kann, so dass mehr Zeit fürs Elternsein verbleibt.

Diversen Berichten zufolge, arbeiten nach wie vor wenige Frauen im Bereich AI. Widerspiegelt das deine Erfahrung? Falls ja, welchen Karrieretipp würdest du einer Career-Starterin in diesem Bereich geben?
Dies kann ich nur bestätigen. Wir haben oftmals Mühe, Referentinnen oder Speakerinnen für Podien mit Fokus auf Robotik oder AI zu finden, insbesondere in der Schweiz. Ein idealer Einstieg in das Gebiet der AI führt aus meiner Sicht über die Biologie und Verhaltensforschung, ebenfalls über neue Berufsgattungen wie «VR-engineer» oder «VR-architect», wobei VR für Virtual Reality steht: Um interessante Games zu designen werden oftmals ähnliche Prinzipien angewandt, wie diese auch für den Bau von simulierten Robotern zum Einsatz kommen. AI ist ein sehr breites Feld, das zu sehr noch mit Computer- und IT in Verbindung gebracht wird. Ein Durchbruch in AI bedingt vermutlich, sich von der Computer-Analogie, wonach das Hirn ein Computer sei, zu lösen und vollends neue Wege zu beschreiten. Neue Perspektive, neue Ansichten und frischer Wind im Bereiche AI kann hierbei nur helfen. Ich sehe grosses Potential sowohl für das Gebiet um AI als auch für Frauen in diesem Gebiet.

Welchen Karrieretipp wirst du deinem Kind eines Tages geben?
Ich gebe unseren Sohn schon heute wichtige Karrieretipps mit, begonnen damit, dass Scheitern, Fehlermachen, Dinge ausprobieren und auch mal an die Limiten gehen etwas Gutes ist. Besonders hinweisen werde ich unseren Sohn darauf, sobald er sprechen kann, dass sein Umfeld sehr wichtig für Glück und Erfolg ist. Sein Netzwerk, seine LehrerInnen, seine Freunde, dass die Umgebung einen grösseren Einfluss auf unser Denken und unseren Erfolg haben, als wir uns dies bewusst sind. Schliesslich werde ich unseren Sohn dabei unterstützen, Dinge anzupacken, die er mit Leidenschaft und Spass vollbringen kann. In einem selber muss brennen, was in anderen entfacht werden soll. Karriere hat viel mit Leidenschaft, Mut und Intelligenz zu tun, ich werde ihn unterstützen, dieses Trio an Werten von Beginn weg zu entwickeln und einzusetzen.

Awina setzt sich mit zweckgebundenen Krediten zur Kita-Finanzierung für eine bessere Vereinbarkeit von Beruf & Familie ein. Wie aber sieht Vereinbarkeit eigentlich im Alltag aus? In der Serie «Hey, Mama», «Hey, Papa» sprechen berufstätige Eltern offen über ihre Erfahrungen und Herausforderungen als Working Parents und geben Einblick, wie sie persönlich Kind und Karriere unter einen Hut bringen.

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