Im Hochzeitskleid nach der Geburt in den Vollzeitjob zurück – dieses Märchen gibt es nicht

Einmal die rosarote Brille absetzen, bitte: Vor der Ehe und dem Kinderkriegen wäre es nicht verkehrt, sich einmal mit dem Partner zusammenzusetzen und Tacheles zu reden. Denn jenseits von Hochzeit und Wochenbett lauern so Dinge wie der Gender Gap. Was wir Frauen wissen sollten, bevor wir Kinder bekommen.

Sie: „Ich will unbedingt Kinder… Und du?“
Er: „Ich auch – seit ich dich kenne. Ein, zwei, drei… egal.“ 
Sie: „Bin schon gespannt, wie die Miniversion von uns beiden aussieht…“
Er: „Du wirst eine tolle Mutter.“
Sie: „… und du ein toller Vater.“

Diese Sätze dürften den meisten Verliebten – mit Kinderwunsch – bekannt vorkommen. Wenn wir gemeinsam in Richtung Zukunft gucken, neigen wir dazu, zu schwelgen. Hard facts wie Kinderbetreuung, zukünftige Ausgaben die Familie betreffend – Fehlanzeige. Dasselbe gilt fürs Heiraten. Da wird monatelang akribisch für den Tag der Tage geplant. Alles soll perfekt sein, die Bilder und Erinnerungen sind schliesslich für die Ewigkeit und ein weisses Kleid tragen wir, hoffentlich, nur einmal im Leben. Aber wer mag über ein mögliches Ende reden, wenn doch gerade alles anfängt? 

Es ist schon abgefahren, wie viele Stunden dafür drauf gehen, einen einzigen Tag zu planen (oder den Namen des Babys zu finden) – und wie wenige Minuten wir im Vorfeld konkret darüber sprechen, was unser ganzes Leben bestimmt und verändert. 

Dabei gibt es gerade für uns Frauen einiges, worüber wir uns vorher im Klaren sein sollten. Diese Hard Facts sollten wir wissen: 

Liebe ist schön und gut, Verstand ist aber auch ganz nice

„Wer heiratet, rechnet nicht.“ Dieser Satz kommt von Andrea Opel und sie muss wissen, wovon sie spricht: Als Professorin für Steuerrecht in Luzern kennt sie sich bestens mit dem Familienbesteuerungsrecht aus. Eine Ehe, so Opel, lässt Frauen meist deutlich schlechter davonkommen: „Nach dem geltenden System werden verheiratete Zweitverdienende steuerlich über Gebühr belastet – und das sind in den allermeisten Fällen die Frauen“, sagt sie in einem Interview mit der Annabelle. Sie nennt das Zweitverdiener:innenstrafe. Auch nach einer Trennung haben Frauen eine schlechtere Ausgangsposition. Wer gerade auf Brautkleidsuche ist, will natürlich nichts von Scheidung wissen. Verständlich! Interessiert die Statistik nur nicht – die spielt eindeutig nicht im Team „Liebe“: Bei 40 Prozent liegt die Scheidungsrate in der Schweiz und eine durchschnittliche Ehe hält etwas über 15 Jahre. Da bleibt viel Lebenszeit übrig, wenn wir mit 30 heiraten. Andrea Opel rät, auf eine gleichgestellte Partnerschaft zu setzen. Dazu gehöre „dass beide Parteien in einem vernünftigen Mass erwerbstätig bleiben können.“ 

Erst Kind, dann zurück in den Job? Schön wäre es…

Ob ins All fliegen oder Verwaltungsrätin werden – mittlerweile dürfen wir Frauen alles werden, was Männer auch machen. Doch sobald wir Kinder bekommen, ist es meistens vorbei mit dem „dürfen“. Nach den ersten glücklich-anstrengenden Monaten als Neu-Mama passiert uns das, was so ziemlich den meisten berufstätigen Frauen passiert: Wir werden mit der Geschlechter-Kluft („Gender Gap“) konfrontiert. Die berufliche Freiheit endet mit der Geburt eines oder mehrerer Kinder. Um Kinder grosszuziehen, werden Skills benötigt, die rein gar nichts mit Karriere-machen zu tun haben. Der Mann zieht dann oft im Job durch, während die Frau zurückfällt. 52,1 Prozent der Neumütter mit Partner und Kind(ern) arbeiten im Minipensum oder sind gar nicht erwerbstätig, 33,4 Prozent gehen einer Teilzeitstelle ab 50 Prozent nach. Gerade einmal rund 14,5 Prozent der Mütter kehren in Vollzeit zurück in den Job. Im seltensten Fall bleibt dann der Mann zu Hause. Meist ist ein immenser Akt an Organisation vonnöten, bei dem beispielsweise die Grosseltern helfen (wenn wir Glück haben – es gibt auch Grosseltern, die ihre Enkel nicht gern betreuen). Wer uns also etwas von „lässt sich alles einfach vereinbaren heutzutage“ erzählt, lügt. 

Guter Gehaltscheck, ade!

Logischerweise wirkt sich das beides – Heiratsstrafe und Gender Gap – auf unsere finanzielle Situation aus. Verheerend sogar. Heiraten und Kinderkriegen: Romantic Movie meets Thriller. Der Titel des Filmes, Zielgruppe Frauen: „Motherhood Lifetime Penalty“, was soviel bedeutet wie „lebenslange Mutterschaftsstrafe“. Darum geht’s: Verheiratete Mütter büssen im Vergleich zu gleichaltrigen kinderlosen Frauen zwischen 40 und 70 Prozent an Einkommen ein. Wollen wir den schauen? Nein, danke. Bei den hohen Betreuungskosten überlegen wir uns lieber zweimal, ob sich eine Erwerbstätigkeit überhaupt lohnt. Und doch: Sich aus der Berufstätigkeit zurückzuziehen, ist fürs Alter oder im Falle einer Scheidung nun einmal ein Risiko für jede Frau. 

Wo bleibt denn da die Gleichberechtigung, bitte schön?

Die Schweizer Familienpolitik ist somit definitiv ausbaufähig. Gleichberechtigte Elternzeit, Individualbesteuerung, bessere, günstigere Ganztagesbetreuung wären sehr wünschenswert. Unternehmen könnten den Kulturwandel durch flexiblere Arbeitszeiten, Teilzeit für alle oder Co-Leadership beschleunigen. Viele Männer empfinden ihre finanzielle Versorgerrolle übrigens auch als Druck und wollen mehr Zeit für ihre Familie. Männer sollten daher mutig väterliche Rechte einfordern und wir Frauen eine Vereinbarkeit von Beruf und Familie – der Work-Family-Konflikt muss ein zentrales Thema werden. 

Schatz, lass uns reden!

Eines wird klar, wenn wir die drei Punkte lesen: Wir Frauen müssen für uns selbst sorgen. Am besten vorm Ja-Wort und Kinder bekommen. Was erwartet unser Partner von der Ehe, von unserer Rolle als Partnerin und Mutter? Vor allem: Was möchten WIR? Wie lässt sich alles vereinbaren? Wie schaffen wir es, gleichberechtigt zu erziehen? Es ist kein Affront gegen die Liebe, wenn wir uns über den Fall der Trennung unterhalten. Einen Ehevertrag abzuschliessen bedeutet, dass wir als kommende Mütter eine Versorgungssicherheit haben, bis wir wieder finanziell auf eigenen Beinen stehen. Je geklärter, desto konfliktfreier starten wir in eine gemeinsame Zukunft – und umso höher die Chance, der Statistik ein Schnippchen zu schlagen. 

Auch wenn die Kinderbetreuung einen grossen Teil des Lohnes verbraucht: Wir sollten es als Investition in unsere Zukunft und finanzielle Unabhängigkeit sehen, weiter zu arbeiten. Awina hilft Eltern bei der unkomplizierten Finanzierung von Krippenplätzen, damit beide gleichberechtigt ihre Karriere verfolgen können.

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