Finanzplanung für den längsten Urlaub des Lebens

Finanzplanung und Vorsorge sind für viele ein trockenes Thema. Dabei handelt es sich bei der Pensionierung um den längsten Urlaub des Lebens, auf den man sich, wie für alle anderen Reisen auch, vorbereiten kann. 

Wir haben mit Reto Spring, einem unabhängigen Experten für Finanzplanung gesprochen, um herauszufinden, wie man seinen inneren Schweinehund überwinden kann, um endlich loszulegen und worauf man besonders achten muss: 

Reto Spring ist seit über 20 Jahren in der Finanzbranche tätig und seit einigen Jahren der Präsident vom FinanzPlaner Verband Schweiz. Zudem ist er Dozent, Autor des Buches «Orientierung statt Moneypulierung» und Keynote Speaker.

Reto, du hast Vermögensaufbau mit Spitzensport verglichen – ohne Ausdauer und kontinuierlichen Einsatz geht nichts. Was sind deine wichtigsten drei Vorsorge-Tipps an junge Eltern, die oft wenig Zeit und limitierte finanzielle Ressourcen haben?

Aus eigener Erfahrung und aus über 1000 Beratungen kann ich sagen:

  1. Cash is King, sprich genügend Reserve gibt Sicherheit. Liquidität ist wie Atemluft – man merkt, wenn sie fehlt. Meine Empfehlung liegt bei sechs Monatsgehältern auf dem Konto.
  2. Mit Budgetplanung bekommt man die Ausgaben und Kosten in den Griff – egal ob mittels App oder „Milchbüechli“.
  3. Sparen fällt einfacher, wenn es automatisch läuft: Also, erst geht die Kinderzulage in den Kindersparplan, bevor das Geld anderweitig ausgegeben wird.

Wieso denkst du, fällt es vielen Menschen so schwer, sich um ihre Vorsorge zu kümmern? Wieso ist das ein Thema, bei dem Aufschieberitis eher die Norm statt der Ausnahme ist?

„Lebe heute, spare morgen“ – nach diesem Motto wird heute gelebt und konsumiert – auch weil uns die Informationsüberflutung und zu viele Wahloptionen vom Wesentlichen – unseren Zielen – abhalten. Wir sind Menschen und lassen uns von Gewohnheitsregeln steuern: Wir nehmen selektiv wahr, bewerten subjektiv, entscheiden irrational und setzen inkonsequent um. Finanzcoaching verhilft zum neuen Standard: „Früher planen, länger geniessen.“

Du hast die “Rush Hour of life” in einem Podcast erwähnt – Burnout, Unfall, Scheidung in fast jedem zweiten Fall… Tabuthemen wie Religion und Sex… Sprichst du mit deinen Klienten über diese Themen?

Nun, gesamtheitliche und bedürfnisorientierte Finanzplanung zeichnet sich dadurch aus, dass sie mehr beratend-begleitend und nicht verkäuferisch und produktbezogen ist. Und ganzheitlich heisst, die Kunden im Chancen- und Risikomanagementprozess auch auf Gefahren aufmerksam zu machen, die man nicht auf dem Radar hat und für die es keine Standardlösung gibt. Wieso nicht aus Fehlern lernen, die andere gemacht haben? Probleme, die sich aus einer Trennung oder Scheidung ergeben (Stichwort Patchwork) betreffen heute jede zweite Familie.

Das Thema Geld wird bei uns in der Schule leider wenig thematisiert. Welche Tipps gibst du deinem Sohn im Teenage-Alter?

Erstens frühzeitig eigene Erfahrungen sammeln lassen: Es gibt nichts gratis, Geld muss verdient werden und man muss lernen, damit umzugehen. Bei meinem 15-Jährigen heisst das konkret: Mehr Taschengeld, aber er muss sich damit die Kosten für Kleider, Handy, Gamen, Vergnügen und Extras selbst einteilen lernen. Sein „Kindersparplan“ startete ab Geburt und kostet mich monatlich 200 Franken – bis zu seiner Pensionierung wird diese vierte Säule über 1,2 Mio Franken erreichen. Das wird dereinst nötig sein, denn unser heutiger Wohlstand gründet auf Schulden künftiger Generationen und unsere Lebenserwartung tendiert gegen 100 Jahre.

In einem Interview sagtest du: «Ein Baby, das heute auf die Welt kommt, hat bereits einen Schulden Rucksack von CHF 100’000.» Was genau meinst du damit?

Heutzutage muss alles nachhaltig sein. Leider trifft das nicht auf unsere Vorsorgesysteme zu. Es ist, als würden wir nur noch mit Kohle heizen und Energie gewinnen. Ein Baby kommt heute auf die Welt mit anwartschaftlichen Schulden von ca. 100’000 Franken. Oder in den Worten von Dr. Veronica Weisser: «In der ersten Säule versprechen wir uns Renten, von Kindern, die wir nicht hatten. In der zweiten Säule zahlen wir uns Renten aus Kapital, das uns nicht gehört. Und in der dritten Säule sparen wir zu wenig, weil uns keiner zwingt.»

Und was ist dein wichtigster Tipp für frischgebackene Eltern?

Die meisten jungen Eltern investieren beim ersten Kind viel Geld in Luxusklamotten und teure Spielsachen, neueste elektronische Gadgets und schicke Kindermöbel. Das ist zwar emotional nachvollziehbar. Aber meist völlig unnötig: Kleinkinder können es nicht wertschätzen und wachsen so schnell, dass es sich nicht lohnt. Ein Kindersparplan ist da wesentlich nachhaltiger und nötiger!

In schwierigen wie in glücklichen Zeiten kann das Leben richtig herausfordernd sein – besonders in der «Rush Hour of life», wenn sich Partnerschaft, Familiengründung, Karriere in einer kurzen Lebensphase abspielen. Wir von Awina stehen euch während dieser Zeit zur Seite.

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