Mir fehlen als Vater die Role Models

Familie – das bedeutet häufig: Die Frau arbeitet im Teilzeitjob und übernimmt den Grossteil der Care-Arbeit. Der Vater geht nach kurzem Vaterschaftsurlaub zurück in den Vollzeitjob, macht Karriere und hilft mal mehr, mal weniger. Hartmut S. ist zweifacher Papa in Bern – und plädiert dafür, dass Männer endlich aktiver werden, wenn es um eine gleichberechtigte Elternschaft geht.

„Mein Vater hatte es nicht leicht mit meinem Grossvater. Der war so ein typischer 50er-Jahre-Daddy: zeigte selten Zuneigung und versteckte die meisten seiner Gefühle hinter der Zeitung. Er verbrachte vermutlich mehr Zeit beim Sortieren seiner Werkzeuge im Hobbykeller als mit seiner Familie. Die Kindererziehung und natürlich auch den ganzen „Rest“ überliess er meiner Grossmutter. Mein Vater war uns Kindern wesentlich zugeneigter – aber auch er lebte in Zeiten der 42-Stunden-Woche und wenn Feierabend war, bedeutete das: einmal toben und dann ab ins Bett. Zum Glück hat sich seitdem viel verändert.

Moderne Männer in westlichen Kulturen wollen mittlerweile teilhaben am Familienleben. Auch ich zähle zu dieser Generation, die in allen Phasen der Kindererziehung aktiv sind: Wir bringen unsere Töchter und Söhne zur Kita oder holen sie ab. Wir schlagen brav am Ende eines Kindergeburtstags auf und trinken noch ein Abschlussbier mit den anderen Eltern. Am Wochenende gehen wir mit den Kindern zum Turnen, auf den Fussballplatz, in den Wald… Selbst beim Elternabend in der Schule beteiligen wir uns.
Aber, liebe Männer: Das ist doch nicht genug!

Der Mythos vom neuen Mann hat mittlerweile einen recht langen Bart

Irgendwie haben wir angehalten auf dem Weg, eine Fifty-Fifty-Rollenverteilung hinzubekommen. Ich kann gleich bei mir anfangen und ein bisschen Selbst-Bashing betreiben. Stellvertretend für viele Männer, die ich kenne. Ich würde mich sehr wohl als „Pro Gleichberechtigung“ deklarieren. Ich helfe meiner Frau, wo ich nur kann und räume mit Sicherheit häufiger als sie die Spülmaschine ein und aus (und auch effektiver, aber das ist ein anderes Thema…). Auf die Kinder bezogen, mache ich all das oben erwähnte – und ich bringe sie recht häufig ins Bett. Aber neben der Arbeit – eine Vollzeitstelle – verwirkliche ich mich deutlich besser selbst als meine Frau. Ich nehme mir öfter raus, mal ein Feierabendbier mit meinen Freunden zu trinken, „brauche“ dreimal die Woche meinen Sport als Ausgleich, fahre sogar regelmässig mit Freunden ein Wochenende weg.

Was ich nicht mache: Geburtstagsgeschenke besorgen, Kinderarzttermine oder Playdates vereinbaren und in den Familien-Google-Kalender eintragen oder die nächstgrössere Matschhose zum Herbststart besorgen. Stichwort: Mental Load. Und natürlich werde ich nicht als erstes angerufen, wenn eines der Kinder wegen Fieber nach Hause muss. „Ich mache ja schon mehr als alle anderen“ und „Sie kann das einfach viel besser als ich“ sind definitiv Sätze, die ich auch schon benutzt habe. Was für ein Bullshit…

Irgendwas stimmt da nicht zwischen Wunsch und Wirklichkeit, meine Herren

Auch der aktuelle deutsche Väterreport 2021 bestätigt mein Gefühl, dass die Wirklichkeit noch immer nicht viel mit der angestrebten gleichberechtigten Elternschaft zu tun hat: 52 Prozent der Väter geben an, dass sie weniger arbeiten wollen. Aber nur 6,9 Prozent tun es auch. 45 Prozent der Väter wären für eine partnerschaftliche Aufteilung der Kinderbetreuung. Aber nur 17 Prozent setzen diese auch um. 42 Prozent der Väter nehmen Elternzeit – für zwei Monate. Neun von zehn Vätern kehren in die Vollzeit zurück. „Im Vergleich zu den Müttern, die sich viel intensiver um die Kinderbetreuung und -versorgung kümmern, sind die Anteile des Engagements der meisten Väter weiterhin eher gering“, stellt Dr. David Juncke, einer der Autoren des Reports, fest.

Warum hinken wir mit der Familien-Gleichberechtigung, bitte schön, so hinterher?

Natürlich spielen viele Faktoren eine Rolle, warum es noch nicht recht klappt. Allen voran ist eine echte Vereinbarkeit von Familie und Beruf nach wie vor schwierig. Den Männern wird es von vielen Arbeitgeber:innen leicht gemacht, es sich auf dem Thron des Hauptverdieners bequem zu machen – Mütter wiederum haben es schwerer, in einen Vollzeitjob zurückzukehren. Eine wichtige Rahmenbedingung dafür wäre auch eine verlässliche, bezahlbare Kinderbetreuung, damit das nicht Privatsache ist. Wir brauchen Arbeitgeber:innen, die Familienfreundlichkeit leben und Eltern nicht diskriminieren.

Aber mir persönlich fehlen auch Mitstreiter, männliche Role Models, an denen ich mich orientieren kann. Da kommen wir wieder zurück zu meinem Vater bzw. Grossvater. Es ist nicht einfach, ein anwesender Vater zu sein, ohne die Hilfe eines früheren Vorbilds. Wir sind oftmals mit abwesenden Vätern grossgeworden. Jungen mussten nur selten im Haushalt mit anpacken und galten als Aussenseiter, wenn sie mit Puppen spielten. Uns Vätern fehlt es schlichtweg an Erfahrung. Da ist es deutlich bequemer, mit den Schultern zu zucken und zu bekunden, dass Mütter ja ohnehin durch nichts und niemanden zu ersetzen sind. Aber: Ist das wirklich so? Oder ein Rollenklischee, an dem sich alle festhalten? Auch die Frauen.

Wir müssen doch wohl nicht als „Super Dads“ bezeichnet werden…

Und tatsächlich ist es ein nicht unwesentlicher Faktor, dass auch unsere Partnerinnen mitmachen, wenn sich etwas verändern soll. Männer können grossartige Arbeit leisten und ihren Kindern die gleiche Unterstützung und Liebe geben wie eine Frau. Das heisst dann eben auch nicht gleich, dass sie „Super Dads“ sind und Mega-Anerkennung bekommen, weil sie Windelwechseln, Kochen und auf den Spielplatz gehen, etwas, dass bei Frauen als selbstverständlich angesehen wird. Sie sollten aber auch nicht ausgegrenzt werden, so wie Jay Deitcher aus Albany, New York: Er gab seinen Job als Sozialarbeiter auf, um bei seinen Kindern zu Hause zu bleiben, während seine Frau weiterarbeiten ging. Nach einer Weile fühlte er sich zu Hause so isoliert und wollte einer Selbsthilfegruppe für frischgebackene Mütter beitreten, denen es genauso ging. Und was war? Er wurde wie ein Aussenseiter behandelt, weil er keine Mutter war.

Wir brauchen Väter und Mütter, die ein gleichberechtigtes Leben ohne Rollenzuschreibungen realisieren wollen. Die Gleichberechtigung nicht als defizitär wahrnehmen und innerlich abwerten. Dann wird es für die nachfolgenden Väter-Generationen immer einfacher, Gleichstellung in der Gesellschaft zu gestalten.

Ich will als Vater ein Vorbild für meine Kinder sein

Meine Frau und ich haben damit angefangen, uns zu fragen: Wie können wir uns beide unseren Beruf aufteilen, sodass wir beide damit zufrieden sind? Wie liesse sich Care-Arbeit sinnvoll aufteilen? Wie können wir die Hausarbeit auf vier Schultern verteilen? Oder die Last des Familienernährers? Noch haben wir nicht den perfekten Weg gefunden. Eine Idee ist, eine Viertage-Woche anzugehen: Damit meine Frau einen Tag voll arbeiten kann. Noch nicht optimal, gewiss. Aber ein Wochentag, an dem meine Kinder sehen, dass ich „da“ bin. Und an dem ich das Vorbild sein kann, dass ich mir gewünscht hätte.“

Ob die Care-Arbeit beim Vater, der Mutter oder im Idealfall bei beiden in gleichen Teilen liegt: Uns ist es ein Anliegen, Familien in der Rush Hour of Life zu unterstützen. Wir helfen dabei, eine bessere Vereinbarkeit von Familie und Beruf zu gewährleisten.

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